Nun sind wir schon zehn Wochen in Jerusalem. Davon haben wir die ersten drei Wochen in Kriegszeiten erlebt; inzwischen stehen wir unter dem Eindruck von Ferien und Feiertagen – und zwar in einer Intensität, wie wir sie in Deutschalnd noch nie erlebt haben. Nach dem Neujahrsfest begann für die Israelis Yom Kippur; ein Abend und ein darauffolgender Tag, an dem dieses Land quasi stillstand.
Die Grenzen zum Westjordanland wurden bereits am Nachmittag vorher aus Sicherheitsgründen geschlossen, was zum Beispiel zur Folge hatte, dass ein palästinensischer Mitarbeiter von Carsten, der Yom Kippur Dienst hatte, die Nacht im Hotel in Jerusalem verbringen musste, weil er nicht von Bethelem ins acht Kilometer entfernte Jerusalem einreisen konnte. Wir kamen aber auch andersrum nicht ins Westjordanland. Der Flughafen stellte für 24 Stunden komplett den Betrieb ein, Busse und Bahnen sowieso! Die Stadt gehörte den Fußgängern und vereinzelt den Radfahrern. Die Ampeln waren selbstverständlich auch ausser Betrieb und das Fernsehprogramm ebenfalls abgeschaltet:
Bei uns privat wurde diese absolute Stille auf wunderbare Weise gestört: Kolja kam zwei Tage vorher aus Berlin angeflogen und verbrachte die kommenden zwei Wochen bei uns, dicht gefolgt von seiner Schwester Linn und Matthias.
Es waren intensive Tage mit vielen Ausflügen in die nähere und weitere Umgebung, aber erst noch einmal kurz zu Yom Kippur: wir sind an diesem Tag mit Kolja zusammen circa 13 Kilometer durch die Jerusalemer Alt- und Innenstadt gelaufen: kein Restaurant hatte geöffnet und wir sahen insgesamt drei fahrende Autos an diesem Tag: zwei Polizeiwagen und eine Ambulanz.
Dafür sahen wir viele gläubige Juden auf dem Weg zur Klagemauer, übrigens sehr viele davon in Croques, weil ihnen Lederschuhe an diesem Tag nicht erlaubt sind.
Und selbst im weltlichen und fröhlichen Tel Aviv soll an diesem Tag das quirlige Leben komplett pausiert haben.
Und dann: dreieinhalb Tage so etwas wie Alltagsleben in der Stadt, aber bereits Mittwoch mittag schlossen wieder die Geschäfte und Restaurants und es begannen die Feierlichkeiten zum acht (!!!) Tage dauernden Sukkot-Fest, bei uns bekannt als Laubhüttenfest.
Irgenwie haben weder Carsten, noch Kolja oder ich daran gedacht, einige dieser zum Teil sehr kuriosen Laubhütten zu fotografieren. Auf ganz vielen Balkonen, Terrassen und vor jedem Geschäft gab es eine solche Hütte, meist aus häßlichen Plastikplanen errichtet. Aber stest mit einem Dach aus Palmwedeln oder Bast. In diesen Hütten wurde dann acht Tage lang gegessen und gefeiert. Das normale Arbeitsleben ruhte; die Menschen machten Ferien.
Wir nutzten die kommenden Tage, um mit Kolja und ein paar Tage später mit Linn und Matthias Neues zu erkunden und zu entdecken. Hier aufführen möchte ich einen ereignisreichen Tag, der morgens in Bethlehem mit einem Besuch der Geburtskirche und intereressanten Details der Siedlerstrategien aus der Sicht des Kollegen aus Bethlehem begann, und dann nachmittags und abends in Tel Aviv endete. Hier ein Eindruck aus der Geburtskirche
Diese Bild enstand dort, wo Jesus geboren sein soll.
Tel Aviv kam dann deutlich weltlicher daher: Strand, Hafen, Grillpartys und Cafés ohne Ende; dafür eine deutlich geringere Kippa-Dichte als in Jerusalem:
Aber auch hier Nachdenkliches: das untere Bild zeigt eine Diskotheke, auf die 2001 ein
Selbstmordattentäter einen Terroranschlag verübte. Dabei kamen 21 Menschen, die meisten jugendliche Discobesucher, ums Leben. Das Gebäude wurde als Mahnmal direkt am Strand stehen gelassen.
Von zwei weiteren Ausflügen noch kurze Eindrücke: Wir verbrachten einen langen Tag am Toten Meer und in der Wüste Negev. Die Wüste ist grandios und überwältigend: eine unglaubliche Weite, ein phantastisches Licht und tolle Landschaften. Wir sollten zwar auf diese Tiere hier auf den Strassen aufpassen,
gesehen haben wir aber eher diese:
Und das Ganze eingebettet in eine solch traumhafte Landschaft:
Und wenn Ihr es bisher auch noch nicht getan habt, so wie wir;) – falls ihr uns mal besuchen kommt, hier müsst ihr unbedingt baden:
Ich fand das Gefühl, im Toten Meer zu baden, wirklich unbeschreiblich und total klasse. Es lohnt sich auf jeden Fall und soll sooooo gut für die Haut und die Knochen und überhaupt sein:).
Aber auch dieses findet man an einem Ende des Toten Meeres: eine riesige Kali- und Salzfabrik.
Den Abschluss dieses Tages bildete dann noch ein Abstecher zum Grab von Ben Gurion in einem Kibbuz am Rande der Wüste. Dort waren wir dann nicht alleine – hier befindet sich offensichtlich ein großes Rekrutenausbildungslager der israelischen Armee.
Unser bisher weitester Tagesausflug führte uns dann noch mit Kolja vorbei am See Genezareth in die Golanhöhen. Wir waren zeitweise nur wenige Kilometer von der syrischen bzw. der libanesischen Grenze entfernt, und da waren sie dann wieder, die deutlichen Hinweise auf Kriege und Auseinandersetzungen: eingezäunte Minenfelder rechts neben einem markierten Fernwanderweg, zerschossene verlassene Häuser aus den letzten großen Krieg hier; aber auch ein Kibuzz, der anmutet wie ein österreichisches verschlafenes Skidörfchen.
Schön war es mit den kids;)
Die letzten drei Tage waren wir nun alleine zu Hause, haben gearbeitet und gefaulenzt. Und morgen kommt der nächste Besuch aus Berlin: Paula, Linn, Hella und Jens kommen uns eine Woche lang besuchen. Wir freuen uns drauf und danach gibt es dann erst einmal nur ganz banale Geschichten aus unserem Alltag – denn auch dieser ist hier immer noch spannend.
Ich grüße euch alle herzlich, shalom und salemaleikum, Heike mit lieben Grüßen auch von Carsten