Alltag in Jerusalem?!

Nun sind wir drei Monate in Israel, in Jerusalem!

In den ersten drei Wochen, als wir ankamen, gab es noch den Gazakrieg. Dann gab es einen Waffenstillstand und wir fingen an, uns einzuleben: jeden Tag entdeckten wir Neues und Spannendes (so ist es heute auch noch); so Vieles war und ist ungewohnt und ganz anders als in Deutschland. Dann kamen die ersten lieben Besuche aus Berlin und Köln – also immer noch eine nicht wirklich alltägliche Situation.

Seit gut einer Woche sind Carsten und ich jetzt erst einmal wieder alleine hier in unserer Wohnung und wir haben beide gut zu tun; wir haben uns prima eingelebt und entwickeln ein Gefühl von: „Wir sind hier in diesem Land angekommen“ – also der Start in unseren Alltag hier in Jerusalem: mit Ausflügen am Wochenende und unseren Jobs in der Woche.

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Hier ein Strand mit Blick auf die Skyline von Tel Aviv.

 

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Und direkt neben dem Strand ein Blick auf eine Iron-Dome-Anlage.

 

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Dieses Bild ist entstanden auf einer wunderschönen Wanderung mit Hella, Linn, Paula und Jens

 

Und jeden Tag aufs Neue stelle ich mir seitdem die Frage (und ich habe keine wirkliche Antwort darauf):  ist dies der Alltag in Jerusalem oder ist es gerade (mal wieder) eine besonders fragile und schwierige Situation?

Gehe ich hier durch unseren „Kiez“, sehe ich Menschen beim Einkaufen, Zeitung lesen im Park und Kaffee trinken in einem der zahlreichen Straßencafés. Meist scheint die Sonne und es wirkt alles sehr entspannt.

Aber über uns kreisen seit fast zwei Wochen immer wieder die Polizeihubschrauber; in der „Ferne“ hören wir oft Schüsse und Knallereien und ständig die Polizeisirenen. Freitags gibt es regelmäßig Auseinandersetzungen zwischen palästinensischen Demonstranten und der israelischen Polizei. Diese Bilder hat Carsten am vorletzten Freitag aufgenommen.Wueste 9 6 (1)_2Wueste 9 10_2Wueste 9 5 (1)_2

 

 

Sie sind in einem Stadteil in Ostjerusalem entstanden, während ich mit unseren Freunden, die noch zu Besuch waren, auf der anderen Seite der Altstadt stand. Die Rauchschwaden waren dort „gut“ zu sehen.

 

 

Die Polizei setzt regelmäßig Tränengas ein.

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Weil die israelische Polizei Männern muslimischen Glaubens, die jünger als 50 Jahre sind, den Zugang zum Tempelberg verwehrt, beten diese regelmäßig freitags auf den Straßen:

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Hier in einem Stadteil direkt am Ölberg. Im Hintergrund könnt ihr den Felsendom sehen.

 

Rundherum gab es  auch an diesem Freitag heftige Straßenkämpfe.

 

Luftlinie circa 400 Meter von unserer Wohnung  entfernt wurde dann letzte Woche ein rechter jüdischer Aktivist angeschossen; der Attentäter daraufhin von der Polizei erschossen. Der Tempelberg wurde am Morgen danach zum ersten Mal seit 14 Jahren für einige Stunden geschlossen. Als Reaktion auf diese Schließung beteten zahlreiche Muslime auf der Straße

Die weiteren Fakten kennt ihr sicherlich aus den Nachrichten: ein zweiter Anschlag innerhalb weniger Tage auf Passanten durch einen Autofahrer gestern; ein toter Passant und ein toter Attentäter, viele Schwerverletzte  – Alltag? Ich weiß es nicht und ich hoffe es nicht.

Es ist für mich zum Teil sehr unwirklich: ich höre die Geräusche der Auseinandersetzungen; aus der Ferne kann ich sie auch sehen, denn fast alle Brennpunkte sind von unserer Wohnung zu Fuß zu erreichen und das unmittelbare Leben um mich herum wirkt völlig normal. Bitte versteht meinen Bericht nicht falsch: ich will überhaupt nicht lammentieren und ich persönlich habe auch keine Angst um uns – dort wo wir wohnen und arbeiten scheint alles sehr sicher zu sein – aber es  ist so verflixt schwer zu begreifen, was sich hier in diesem Konflikt abspielt – immer und immer wieder. Eine Kollegin von Carsten sagte neulich „Aber das ist doch hier schon seit zweitausend Jahren so……“

Und trotz der aktuellen Situation finde ich es gut, dass wir hier sind und freue mich auf die  weitere Zeit hier!

Ach, und dann gibt es im Alltag natürlich auch noch das Wetter: Am 31. Oktober haben wir den ersten Regen in Jerusalem erlebt, seitdem wir hier sind – und das gleich richtig:Regen

 

 

 

 

 

Aber die Aussichten für die kommenden Tage sind nicht wirklich schlimm;) wettervorschau

 

 

 

 

 

In diesem Sinne: shalom, salemaleikum und tschö, bis zum nächsten Bericht, herzlich Heike

PS. Ich hoffe, alle Bilder sind sichtbar und stehen gleich da, wo sie stehen sollen – falls nicht, schicke ich wieder Aktualisierungen. Das Programm hinter dem Blog und ich sind immer noch keine dicken Freunde – verzeiht;)

 

6 Gedanken zu „Alltag in Jerusalem?!“

  1. Liebe Heike,
    es war gut, deinen blog zu lesen nachdem ich schon wieder voller Sorgen die aktuellen Nachrichten in den Zeitungen verfolgt hatte. Scheint es doch zumindest für euch nicht ganz so schlimm zu sein, wie es von hier aus manchmal aussieht. Trotzdem ist es natürlich schrecklich, seit Jahren und Jahren immer wieder von den Auseinandersetzungen, welcher Art auch immer, zu hören/ lesen. Da wünsche ich mir manchmal ganz einfach, dass es doch einen Menschen geben soll, der die Seiten einander näher bringen kann.
    Ich find es trotzdem oder gerade deshalb ganz toll, deinen blog zu lesen und ein bisschen mehr Einblick in die Geschehnisse zu bekommen.
    Sei lieb umarmt und viele liebe Grüße auch an Carsten
    von Tina

  2. liebe Heike, mit großem Interesse lese ich deine interessanten Beiträge und habe das letzte mal schon gedacht, seit ich lesen kann, und das ist nun auch schon ein paar Jährchen, beschäftigt mich dieser Konflikt und ich würde ihn so gerne endlich auch verstehen.
    Ich glaube das ist fast unmöglich, weil man das nicht einordnen und nicht beurteilen kann. Gerade deshalb finde ich das hochspannend was du als Europäerin berichtest und empfindest dort vor Ort. Passt gut auf euch auf und vielen Dank für die Eindrücke, so erschütternd sie auch sind und natürlich auch beängstigend.
    lieben Gruß Christine

    1. liebe christine, vielen dank für deinen kommentar. das wort „erschütternd“ ist mir hier nicht in den sinn bekommen bisher – eher unbegreiflich. und traurig natürlich, weil es immer wieder opfer gibt. und, wie gesagt, um uns habe ich gar keine angst zur zeit, so ist die situation hier nicht. es ist einfach so schade, dass sich hier so gar keine lösung für einen dauerhaften frieden abzeichnet und wir eher den eindruck haben, dieser konflikt geht immer weiter, in manchen wochen heftiger und in anderen weniger heftig – aber er ist halt nie weg.
      habt ein wunderschönes herbst- und jubiläumswochenende in berlin, ganz liebe grüße, heike

  3. Hallo, Heike und Carsten die momentane Lage bei Euch hört sich nicht allzu gut an. Ich finde solche Einzeltaten sind viel schlimmer als eine offene Auseinandersetzung, es ist unmöglich sich davor zu schützen. Wiederum kann heute in jeder Metropole etwas passieren. Die Berichterstattungen werden hier bei uns Angstmachend geschrieben und die TV-Bilder sind auch nicht viel besser.

    Meine OP ist gut verlaufen, keine Schmerzen, mehr mündlich, es dauert ja nicht mehr lange bis wir uns sehen. Ich wünsche Euch bis dahin eine nicht zu aufregende Zeit, Manfred

  4. Das, was du heute geschrieben hast, liebe Heike – in Kombination mit Carstens Fotos – ging mir sehr nah.
    „…Es ist für mich zum Teil sehr unwirklich: ich höre die Geräusche der Auseinandersetzungen; aus der Ferne kann ich sie auch sehen, denn fast alle Brennpunkte sind von unserer Wohnung zu Fuß zu erreichen und das unmittelbare Leben um mich herum wirkt völlig normal. “
    Ich glaube, das ist genau der Spagat, den die Menschen in Krisenregionen leisten müssen: in all den Auseinandersetzungen, dem Chaos und der Gewalt soviel Normalität wie möglich leben! (Zur Not eben auch 2000 Jahre lang)
    Das können wir uns hier in unserem doch insgesamt sehr sicheren Leben gar nicht vorstellen. Ihr bekommt nun eine Ahnung davon – fühlt sich manchmal vielleicht auch schizophren an…

    Ganz ganz viele Grüße
    Eva

  5. Hallo Heike, nun kann ich auch selbst einen Kommentar abgeben. Danke für den wie immer ausführlich en und uns berührenden Bericht. Voll Spannung „bearbeite“ ich immer mein Handy in der Hoffnung, dass wieder neues von euch dabei ist. So können wir doch manches mit euch leben und erleben. Alles was du schilderst ist spannend, aufregend, erschütternd und -da geht es uns wie dir- unbegreiflich! Und doch liegen in deinen Zeilen so viel Hoffnung und die Aussage“ihr seid angekommen!“ das ist auch für uns beruhigend und dass ihr trotz allem was herum geschieht, keine Angst habt und wir sie auch hoffentlich umeuch nicht haben müssen. Seid ihr drei weiterhin behütet. Ganz liebe Grüße auch natürlich an Carsten. Waltraud und Manfred

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